VON Michelle Schulze ZU Design | 27.03.2018
SCHLAGWÖRTER

Kritisiert uns!

Warum wir mehr kritischen Diskurs im Design brauchen.

tl;dr: Neben unseren Fortschrittsfreitagen suchen wir auch anderweitig nach Gelegenheiten und Veranstaltungen, um uns Design-quäntchen zu inspirieren. Dabei stoßen wir immer wieder auf die gleichen Formate, bei denen uns echter kritischer Dialog und interdisziplinärer Austausch mit anderen Designer*innen fehlt. Design selbst sollte kritisch sein und sich kontinuierlich hinterfragen. Also lasst uns etwas auf die Beine stellen, um die Designszene kritischer und dadurch besser zu machen!

Design ist allgegenwärtig. Jedes Möbelstück, jede Werbefläche, jedes App-Icon auf unserem Smartphone-Homescreen – überall werden Designentscheidungen erlebbar, und immer wieder entstehen daraus heiße Diskussionen. Erinnert ihr euch daran, als IKEA die Expedit-Reihe zu Kallax transformierte und die Meinungen dazu gespalten waren? Oder als Instagram sein Logo änderte und danach wild darüber getwittert und gebloggt wurde?

Aber welche Art von Diskurs ist das eigentlich? Das Instagram-Logo-Video sagt „Schaut mal, wie viel Mühe wir uns mit dem Designprozess gemacht haben!“ und will damit beeindrucken. Aber die Fragen, was sich die Designer*innen dabei gedacht haben, warum so viele Entwürfe entstanden und wieder verworfen wurden und was dazu geführt hat, dass es am Ende genau dieses und kein anderes Logo geworden ist, bleiben unbeantwortet.

Wie kommt man also zu diesen Antworten? Wo kann man solche Fragen stellen? Wo findet echter kritischer Design-Diskurs statt?

Vielleicht auf einer Konferenz oder einem Event, dachten wir uns. Wenn die Designer*innen schon nicht in sozialen Medien über ihre Gedanken sprechen, dann ja vielleicht in Person. Neugierig suchten wir nach Veranstaltungen und sprachen über unsere Erfahrungen und fanden dabei diese Arten von Events:

Konferenzen (zum Beispiel NeXT, UX Day, TYPO Berlin)

  • renommierte Speaker*innen zeigen ihre Arbeit und auch teilweise ihren Prozess
  • bleiben oft unkritisch mit der eigenen Arbeit und feiern sich selbst
  • Ticketpreise im drei- bis vierstelligen Bereich
  • frontal / wenig Möglichkeiten für Rückfragen und Diskussionen

Awards  (zum Beispiel German Design Award, ADC, red dot)

  • kuratieren die besten Arbeiten und stellen aus
  • Teilnahme und Besuch der Gewinnerausstellung kostenpflichtig, teils werden für Gewinner*innen Gebühren erhoben wie z.B. Druckkostenbeteiligung für Broschüren oder Ausstellungskosten
  • Bewertung und Auswahl erfolgt durch Jury und ist eher intransparent
  • unkommentierte Ausstellung der ausgezeichneten Designs

Netzwerkveranstaltungen (zum Beispiel Meetups, Kreativwirtschaftstreffen)

  • beinhalten meist einen Vortrag oder behandeln ein konkretes Thema
  • tendenziell eher wirtschaftlicher Hintergrund, kann aber auch Plattform für kritischen Diskurs sein
  • kostenfrei
  • Diskussionen vs. Netzwerken
  • sehr disziplinenspezifisch

Workshops (zum Beispiel Typoakademie, UX Workshops, CAPTCHA Mannheim)

  • kostspielig oder nur Student*innen zugänglich
  • viele Weiterbildungsangebote entweder an Neulinge gerichtet oder typografie-spezifisch / eher Lernformate als gemeinsames Weiterentwickeln auf Augenhöhe

Wir sehen: Designrelevante Veranstaltungen sind in vielen Fällen unidirektional. Ähnlich wie in der Kunst werden besonders gute Designs von Expert*innen ausgewählt und ausgestellt, doch es gibt wenig Hintergründe, wenig Erklärungen, wenig Austausch. Die Ausnahme bilden Netzwerkveranstaltungen. Aber auch bei Meetups gibt es zwischen unterschiedlichen Designdisziplinen wie Grafik- und Kommunikationsdesign, Produkt- und Industriedesign oder UX und UI Design kaum Schnittmengen. Dabei sollte Kritik interdisziplinär sein, Diskussionen anregen und sowohl Designer*innen als auch Betrachter*innen zu neuen Erkenntnissen bewegen. Designkritik muss mehr sein als nur „kuratiert“ und dadurch attraktiver für einen Kauf gemacht.

Kritisches Denken als Grundlage für gutes Design

Wenn man in der Designgeschichte zurückblickt, ist Design selbst eine Form der Kritik. „Form follows function“, die Maxime guten Designs, war zu Bauhaus-Zeiten eine Gegenbewegung zum Jugendstil. Statt teurem Prunk sollten gute und ästhetische Produkte entstehen, die auf ihre reine Funktion reduziert und dadurch nicht nur für die Oberschicht erschwinglich sein sollten. Aus Designkritik entstand durch nutzerzentriertes Denken die Basis für das, was wir heute unter gutem Design verstehen. Diese Art der Kritik und dieses Denken ist so aktuell und wichtig wie eh und je. Es ist nicht genug, nur über den „frisch geschlüpften“ Status eines Designs nachzudenken, man muss sich auch damit beschäftigen, wie es verwendet wird, altert, wie es sich weiterentwickeln kann, wie man es erweitert oder auch überwindet, wenn es ausgedient hat. Wir müssen über Nachhaltigkeit reden, und über Technologie. Können technische Innovationen Design wirklich verändern? Wie können wir gesamtgesellschaftliche Probleme auch beim Gestalten stärker mitdenken? Können wir mit gutem Design solche Probleme lösen?

Ihr merkt schon: Es gibt Unmengen offener Fragen, über die man unter Designer*innen reden könnte. Aber wo werden diese Fragen beantwortet? Wo tauschen sich Designer*innen aller Disziplinen aus? Und warum gibt es eigentlich kein Design-Barcamp? Gibt es vielleicht schon die ultimative Plattform für Designkritik und wir haben sie nur noch nicht gefunden? Wenn ihr dazu mehr wisst als wir, sagt es uns. Und wenn ihr euch schon die ganze Zeit die selben Fragen stellt und daran genau so gern etwas ändern wollt wie wir, dann sagt es uns auch!

Lasst uns etwas auf die Beine stellen. Wir haben Bock.

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Michelle Schulze

Über den Autor

Michelle Schulze

„Wir retten ja alle keine Leben” ist ein Spruch, den wir uns im Team manchmal sagen, um Druck aus einer Aufgabe zu nehmen. Bei Michelle stimmt das nur teilweise, denn wenn sie nicht für uns in der queststadt Workshops vorbereitet, rettet sie als Krankenschwester auf der Neugeborenen-Intensivstation wirklich und in echt tatsächlich Leben.

Ihre Stresstoleranz ist hoch und auch knappste Timings entlocken ihr nur ein müdes Lächeln (was garantiert nicht an der Nachtschicht vom Abend davor liegt).

Michelle hat immer Lust auf Neues – und auch wenn ihr Job im Krankenhaus jeden Tag neue Herausforderungen bringt, freut sie sich, bei uns ein bisschen quäntchen-Luft zu schnuppern. Die queststadt ist ihr Metier und wir sind dankbar, sie in ihren ruhigen Händen zu wissen.

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