VON Michelle Schulze ZU Journalismus | 06.11.2014
SCHLAGWÖRTER

Blogparade:

Das Zeitungserlebnis meiner Kindheit

Stefan Balasz von Andere Sachen hat schon vor ein paar Wochen zur Blogparade aufgerufen – bisher leider ohne Resonanz. Wir finden das sehr schade und dachten: „Besser spät als nie! Wir machen da mit!“ Worum es geht? Prägende Kindheitserlebnisse in Bezug auf den Zeitungsjournalismus. Da aber nicht jeder von uns schon als kleines Quäntchen in der Zeitung war, haben wir das Thema um Anekdoten aus der Kindheit erweitert – bereit für eine Runde Nostalgie?

Svenja: „Ich hatte schon immer eine große Affinität für Printprodukte.“

Kindheitszeitung_Svenja

1986: Mediale Früherziehung im Hause Klassert

Bereits im jungen Alter von fünf Monaten war ich eine begeisterte Zeitungsleserin – klingt komisch, ist aber so und dieses Bild ist ein eindeutiger Beweis. Das ist natürlich gelogen. Aber ich hatte schon immer eine große Affinität für Printprodukte. Als ich noch nicht lesen konnte, habe ich gerne in der Zeitung geblättert und mir Bilder angeschaut. Besonders gut fand ich natürlich die Comics: Im Main-Echo gab es samstags immer Marsupilami oder Calvin und Hobbes. Karikaturen mochte ich auch, obwohl ich damals außer Helmut Kohl niemanden erkannte. Und verstanden habe ich sie erst recht nicht. Mein Wissen über Politik und Weltgeschehen war damals nämlich noch sehr überschaubar – immerhin hatte ich mitbekommen, dass die Mauer gefallen war. Allerdings nicht durch die Zeitung, sondern durchs Fernsehen.

Flo: „Und dann war ich in der Zeitung und alle haben sich gefreut.“

Flo_Kindheitszeitung

Zwar wurde Flos Recht am eigenen Bild gekonnt ignoriert, aber für seine Familie war es eine schöne Überraschung, ihn am 30.01.1993 in der Zeitung zu entdecken (Quelle: Hersfelder Zeitung).

Der Hund war sowas wie mein bester Kindheitsfreund. Im Winter sind wir oft stundenlang den Eisenberg hochgepest und ich bin mit dem Schlitten wieder runtergefahren. Dabei habe ich auch gar nicht mitbekommen, dass einmal jemand Fotos davon gemacht hat – das war eigentlich total unspektakulär. Und dann war ich in der Zeitung und alle haben sich gefreut. Von meinem wichtigsten Zeitungserlebnis gibt es aber leider kein Foto: Mit acht oder neun habe ich beim Kickboxen den zweiten Platz gemacht und mich richtig darauf gefreut, dass meine Platzierung in der Zeitung abgedruckt wird. Aber anscheinend hatte die Redaktion keine Daten von mir – es wurde nämlich nur der erste, dritte und vierte Platz erwähnt und ich habe mich richtig geärgert.

Tobi R.: „Beim Lesen der eigenen Artikel bleibt einem der Frühstückstoast im Halse stecken.“

Kindheitszeitung_Tobi

Das Schnipellayout war zwar nicht preisverdächtig, aber mit ihren Titelthemen spiegelte die „Flo“-Redaktion stets den Zeitgeist wider. Hier im Bild: „Das Millenium – Der Hype des Jahrtausends“ und „Böse, böse Medien“.

Mit dem ersten Biss in den Frühstückstoast begann das Zerlegen der Zeitung. Papa bekam den Mantel mit der Politik, Mama den Lokalteil der Allgemeinen Zeitung Mainz, meine Schwester den Panorama- und ich den Sportteil, in dem ich ich umgehend auf Seite zwei oder drei blätterte: Was gibt’s Neues beim FSV Mainz 05? Mindestens so prägend wie die morgendliche Routine von der fünften Klasse bis zum Abitur war das Zeitungsmachen in der Schülerzeitung „Flo“ des Frauenlob-Gymnasiums Mainz. Ein paar Exemplare habe ich noch in der Mottenkiste gefunden. Schnippellayout, Skandale, peinliche Lehrersprüche – und beim Lesen der eigenen Artikel bleibt einem der Frühstückstoast im Halse stecken.

Selina: „Ich wusste gar nicht mehr, dass wir in der Zeitung waren.“

Kindheitszeitung.Selina

„Die Eisbahn stand vor dem Carree und war gefühlt ein mal einen Meter groß – wir sind mehr oder weniger im Kreis gelaufen.“ Selina im Darmstädter Echo vom 11.12.2002.

Als ich noch klein war, haben mich in der Zeitung nur die Comics interessiert – meine Schwester und ich haben die sogar immer ausgeschnitten. In der Zeitung zu sein, war für uns eigentlich auch nichts besonders Aufregendes. Mein Papa ist Musiker am Staatstheater und wir haben da regelmäßig an Aufführungen mitgewirkt, über die dann berichtet wurde. Auch über unsere Schlittschuh-Schaulaufen von der TSG Darmstadt gab es regelmäßig Beiträge. Trotzdem war ich überrascht, als meine Mama meinte, dass es da mal einen Artikel mit Foto von uns gab. Ich wusste gar nicht mehr, dass wir in der Zeitung waren! Während wir nur Comics ausgeschnitten haben, hat sie so etwas immer fleißig archiviert.

Kersten: „Obwohl ich schon damals Onliner war, konnte ich mich sehr für die gedruckte Zeitung begeistern.“

Kindheitszeitung_Kersten

Mit der Ulricianum Times in der Ostfriesen-Zeitung: Obwohl Kersten schon damals lieber an Websites bastelte, hatte er beim Setzen der Ulricianum Times eine Menge Spaß.

Mein wichtigstes Zeitungserlebnis war gar nicht, dass ich in der Zeitung war, sondern dass ich mehrere Male an einer ganz besonderen mitgewirkt habe. Ich war damals auf dem Gymnasium Ulricianum Aurich, wo wir jedes Jahr an einem Wettbewerb für Schülerzeitungen teilgenommen haben. Da es ein internationaler Wettbewerb der Londoner Zeitung „The Times“ war, hatten wir an unsere „Ulricianum Times“ nicht nur den Anspruch, sie auf Englisch zu verfassen, sondern sie auch unter realistischen Bedingungen, fast komplett an einem Tag, zu erstellen! Ich habe Artikel geschrieben, Seiten gesetzt und auch die Website mitbetreut – wir haben nämlich schon damals eine Online-Ausgabe gemacht. Dieses Erlebnis hat natürlich nachhaltig meinen Weg in den Journalismus geprägt.

 

Die Blogparade hat unserem Team großen Spaß gebracht, deshalb: Macht mit! Und bitte nicht vergessen, den Link an Stefan Balasz zu schicken und mit #KindheitsZeitung darüber zu twittern!

Michelle Schulze

Über den Autor

Michelle Schulze

„Wir retten ja alle keine Leben” ist ein Spruch, den wir uns im Team manchmal sagen, um Druck aus einer Aufgabe zu nehmen. Bei Michelle stimmt das nur teilweise, denn wenn sie nicht für uns in der queststadt Workshops vorbereitet, rettet sie als Krankenschwester auf der Neugeborenen-Intensivstation wirklich und in echt tatsächlich Leben.

Ihre Stresstoleranz ist hoch und auch knappste Timings entlocken ihr nur ein müdes Lächeln (was garantiert nicht an der Nachtschicht vom Abend davor liegt).

Michelle hat immer Lust auf Neues – und auch wenn ihr Job im Krankenhaus jeden Tag neue Herausforderungen bringt, freut sie sich, bei uns ein bisschen quäntchen-Luft zu schnuppern. Die queststadt ist ihr Metier und wir sind dankbar, sie in ihren ruhigen Händen zu wissen.

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